Das derzeitige österr. Schulsystem ist ungerecht und mittelmässig

Im Rahmen einer Veranstaltung der FSG in der GPA-DJP präsentierte Prof. DDr. Günter Haider – Leiter des Zentrums für Vergleichende Bildungsforschung – unter dem Titel „Was leitet unser Schulsystem“ die Ergebnisse von PISA 2006 und PIRLS 2006.

Wussten sie, dass 13 % der BerufsschülerInnen funktionelle Analphabeten sind und 26 % an der Kippe stehen bzw. extrem gefährdet sind, dorthin abzurutschen oder dass 18 – 20 % der Jugendlichen eines Jahrgangs keine formelle Berufsausbildung in Österreich haben.

Als Einstieg gabs ein paar Definitionen. Wie definiert sich „Schulqualität“:

  • Unterrichtsqualität – dabei liegt die Verantwortung bei den LehrerInnen. In Österreich wird jede/r als LehrerIn angestellt wenn er/sie die theoretischen Qualifikationen erfüllt.  Auswahlverfahren wie in der restlichen Wirtschaft sind nicht üblich.
  • Standortqualität – hier liegt die Verantwortung bei der Schulleitung und den Schulpartnern. In vielen Schulen und Bildungseinrichtungen fühlt man sich um Jahrzehnte zurückversetzt wenn man sie betritt, in einem so traurigen Zustand befinden sie sich.  Schwierigste Rahmenbedingungen für SchülerInnen und LehrerInnen.
  • Systemqualität – inwieweit gibt es eine Ergebniskontrolle? – Werden die Potenziale der SchülerInnen gefördert und ausgeschöpft? – Werden gute Rahmenbedingungen für das Lernen geschaffen? – Gibt es Chancengleichheit und eine gute Integration der Jugendlichen?

Wie steht es um die Qualität in unserem Schulsystem und wie sehen die Kriterien dazu aus?

  • Leistung – Inwieweit ist Wissen und Können gegeben? – Wie wirkt und funktioniert die Selektion der SchülerInnen in z.B. Höhere Schulen?
  • Gerechtigkeit – Wie funktioniert die Intergration der SchülerInnen (10 – 15 % der Eltern kümmern sich nicht um die Kinder – ihnen ist egal was in der Schule passiert!) – Welche individuellen Förderungen gibt es? . Wie gerecht und fair sind Noten?
  • Befindlichkeit – Wie fühlen sich die SchülerInnen, LehrerInnen? Wie sieht die Bevölkerung das Schulsystem?

Ein paar  Fakten aus seiner Präsentation:

  1. Naturwissenschaftskompetenz – Am besten schneiden die finnischen Schüler/innen mit einem Mittelwert von 563 Punkten ab. Das ist der höchste je auf einer PISA-Gesamtskala erzielte Mittelwert. Österreich liegt mit 511 Punkten knapp über dem OECD-Schnitt. Österreich trennen von Finnland mehr als 50 Punkte, was dem Lernzuwachs von mehr als einem Schuljahr entspricht.
    Österreichs Schüler/innen wissen nur wenig für ihr späteres Leben mit dem anzufangen, was sie in den naturwissenschaftlichen Fächern lernen. Zudem ziehen sie kaum in Betracht, sich einmal beruflich mit Naturwissenschaft zu befassen. Besonders Mädchen zeigen sich in Österreich nach wie vor wenig motiviert, eine naturwissenschaftliche Karriere einzuschlagen.
  2. Lese-Kompetenz – Besonders hohe Leseleistungen mit einem Mittelwert über 530 erbringen die Schüler/innen aus Korea und Finnland sowie Hongkong. Österreich liegt mit 490 Punkten im OECD-Schnitt. Die Differenz zwischen den Lesemittelwerten der österreichischen und koreanischen Schüler/innen beträgt 66 Punkte.
    In Österreich ist der Abstand zwischen den besten und schlechtesten Schülerinnen und Schülern mit 353 Punkten hingegen deutlich größer als im OECD-Schnitt. In Österreich gehört jede/r fünfte Schüler/in zur Risikogruppe in Lesen, hingegen zählen nur 9 % zur Spitzengruppe. In Österreich zeigen die Mädchen eine um 45 Punkte höhere Lese-Kompetenz.
  3. Mathematik-Kompetenz -Ein besonders hohes Leistungsniveau ist diesbezüglich in Finnland und Korea festzustellen. Österreich liegt mit einem Mittelwert von 505 Punkten knapp über dem OECD-Schnitt (498).
    Österreich gehört zu den Ländern mit einer überdurchschnittlich großen Leistungsstreuung in Mathematik. In Österreich umfasst die Spitzengruppe 16 % und die Risikogruppe 20 % der Schüler/innen.

Familäre Herkunft und Leistung
In Naturwissenschaft macht die Differenz zwischen Jugendlichen, deren Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss haben und jenen, deren Eltern eine tertiäre Ausbildung haben, mehr als 100 Punkte aus, in Lesen 90 Punkte. Schüler/innen, deren Eltern einen höherwertigen Bildungsabschluss erworben haben, erbringen  im Mittel bessere Leistungen.

SchülerInnen mit Migrationshintergrund
In Österreich, wo der Anteil der Migrantinnen und Migranten unter den 15-/16 jährigen Schülerinnen und Schülern rund 13 % ausmacht, erreichen diese deutlich geringere Kompetenzen als ihre einheimischen Kolleginnen und Kollegen. Zum Teil sind diese Unterschiede auf den geringeren Sozialstatus der Migrantenfamilien zurückzuführen.
Österreich – ist dadurch gekennzeichnet, dass sowohl Migratinnen und Migranten der 1. als auch der 2. Generation weit geringere Leseleistungen zeigen als Einheimische. In Österreich erreichen einheimische Schüler/innen 499 Punkte. Die 2. Generation erzielt mit 420 und die 1. Generation mit 451 Punkten eine signifikant geringere Lese-Kompetenz als Einheimische.
Entgegen den Erwartungen und entgegen dem internationalen Trend zeigen Migrantinnen und Migranten der 2. Generation (die schon in Österreich geboren sind) im Vergleich zur eingewanderten 1. Generation eine signifikant niedrigere Leseleistung (420 zu 451 Punkten). Ähnliches ist nur in Deutschland der Fall. Dies könnte ein Hinweis auf mangelnde Erfolge bei der sprachlichen Integration dieser Gruppe sein.

Spitzen- und Risiko-SchülerInnen und ihr familärer Hintergrund
Chancengerechtigheit bedeutet, dass die Leistungen der Schüler/innen möglichst wenig von individuellen oder familiären Faktoren abhängen. Schüler/innen aus bildungsnahen Familien erreichen in Österreich überdurchschnittlich oft Spitzenleistungen. Schüler/innen aus bildungsfernen Familien sind dagegen überproportional unter den Leistungsschwächeren vertreten.

  • SpitzenschülerInnen
    Mindestens 60 % der Schüler/innen aus den Spitzengruppen haben Eltern mit Matura oder daran anschließender Ausbildung. Besonders klein fällt in den Spitzengruppen der Anteil der Schüler/innen aus, deren Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss haben.
  • RisikoschülerInnen 
    In der Risikogruppe werden in allen drei Domänen – Naturwissenschaft, Lesen und Mathematik – die Schüler/innen mit Leistungen auf oder unter Kompetenzstufe 1 zusammengefasst. Diese Jugendlichen können die einfachsten Aufgaben aus dem jeweiligen Kompetenzbereich nicht mit entsprechender Sicherheit lösen.
    In Naturwissenschaft hat jede/r fünfte Risikoschüler/in Eltern, die maximal einen Pflichtschulabschluss aufweisen.

Zeig mir deine Familie, und ich zeig dir deinen Bildungsweg (ein Artikel auf der Homepage der FSG-GPA-DJP)

Frauenberger: „Kindergarten erste Bildungseinrichtung“
Wien (RK). Anlässlich des Welttages des Kindes, der im Sept 2007 stattfand, haben  im Rahmen eines Mediengesprächs der Wiener Kinderfreunde Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger, Bildungsexperte DDr. Günter Haider und Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits zum Thema Kinderarmut, Migration und Bildungsbenachteiligung Stellung genommen.  Link

Schlechte LehrerInnen sollen Job verlieren – Artikel im Kurier mit einer Hintergrundinfo „Gewalt in der Schule ist Alltag“.

Wien – Der Plan von Bildungsministerin Claudia Schmied, im Zuge einer Verfassungsreform alle Lehrer zu Bediensteten des Bundes zu machen, stößt auf Widerstand in den Ländern. Standard am 31.3.2008 – Bildung anklicken

Print Friendly, PDF & Email
Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Diskussion, Hintergrundinfos und verschlagwortet mit , von Werner Drizhal. Permanenter Link zum Eintrag.

Über Werner Drizhal

Den Lehrberuf "Elektromechaniker für Starkstrom" in der AMAG-Ranshofen erlernt. Als Jugendvertrauensratsvorsitzenden zum ÖGB-Oberösterreich als Jugendsekretär gewechselt. Nach Absolvierung der Sozialakademie als ÖGB-Bezirkssekretär für Linz-Land gearbeitet. 1996 bis 1999 Mitglied eines OE-Teams der ÖGB-Zentrale, wo ich mich mit Organisationsentwicklung der ÖGB-Bezirkssekretariate und Mitwirkungsfragen von FunktionärInnen in der Gremienarbeit beschäftigte. 1999 in die ÖGB-Zentrale als Personalentwickler gewechselt. Hauptverantwortlich für die Einführung von MitarbeiterInnengesprächen im ÖGB. Umsetzung von professionellen Personalinstrumenten in der ÖGB-Zentrale. Ausbildung in systemischen Coaching und Erlebnispädagogik absolviert. 2007 Wechsel in die Bildungsabteilung der GPA-djp. Zur Zeit Leiter des Geschäftsbereichs Bildung - Gewerkschafts- und Personalentwicklung in der GPA-djp.

Ein Gedanke zu „Das derzeitige österr. Schulsystem ist ungerecht und mittelmässig

  1. ooohh verdammich, wo war die Ankündigung zu der Veranstaltung?!. Da hätte ich gern teilgenommen und zugehört. Da sind die wichtigeren Fragen unserer Gesellschaft berührt. Mmhh.
    Jedenfalls, Danke! für die Zusammenfassung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert