Die Gier geht weiter

Goldman Sachs: Die mächtigste Bank der Welt
Umstritten und mächtig: Die Gewinne und das Politnetzwerk der US-Investmentbank.

Goldman Sachs, das mächtige, bewunderte und angefeindete Investmenthaus, scheffelt wieder Milliarden. Und über ihr globales Polit-Netzwerk zieht die US-Bank nach wie vor die Fäden.
In einem Artikel des Format wird das Netzwerk dargestellt.

New York, 17. Jänner 2013. Goldman Sachs legt die Zahlen für das vierte Quartal 2012 und somit für das Gesamtjahr vor. Das Jahr, in dem die USA nur knapp über den „Fiscal Cliff“ sprangen und Europa einiges damit zu tun hatte, eine wirtschaftliche Depression zu umschiffen. Das Jahr, in dem die Weltwirtschaft alles andere als rund lief. Und was macht Goldman Sachs, die große und mächtige, bewunderte wie angefeindete Investmentbank? Sie erwirtschaftet Gewinne. Deutlich mehr als erwartet. Sie zahlt wieder Millionengehälter aus. Ganz wie erwartet. Und sie macht wieder Schlagzeilen – so positiv und gleichzeitig negativ, wie man das eigentlich nur von Goldman Sachs erwarten kann.

Denn die zweitgrößte US-Investmentbank gilt spätestens seit der Finanzkrise von 2008 als das Enfant terrible unter den sowieso nicht gut beleumundeten Banken und Finanzinstitutionen der New Yorker Wall Street und der Londoner City. Wer dachte, die Krise würde das verändern und die Institute in die Schranken weisen, irrte. Große Banken wie Goldman Sachs melden sich trotz Regulierungsversuchen und Umstrukturierungen der Geschäftsfelder mit Milliardengewinnen zurück.

Schon werden Befürchtungen laut: Ist die Gier zurück? Hat die Macht der Banker sogar noch zugenommen? Ist ihr Einfluss auf die Politik nur noch weniger transparent geworden? Und ist es nach wie vor Goldman Sachs, die hier am stärksten die Fäden zieht?

Zurück in der Oberliga

GS-CEO Lloyd Blankfein, der in der New Yorker Bronx aufgewachsene „Prinz des Casino-Kapitalismus“, wie ihn der britische „Independent“ nennt, und gern gesehene Gast an den Blackjack-Tischen in Las Vegas, hat jedenfalls wieder leicht lachen. Die Hauptbotschaft der Jahreszahlen: Goldman Sachs ist zwar nach JPMorgan Chase „bloß“ die zweitgrößte Investmentbank der Welt, aber wieder zurück in der absoluten Oberliga. Mit einem Gewinn von 7,5 Milliarden Dollar ist das Haus zwar noch weit weg vom Rekordgewinn im Superkrisenjahr 2009. Aber vor allem die letzten zwei Quartale 2012 und das wieder erstarkte Investmentbanking-Geschäft, worin Goldman Sachs wieder die Nummer eins ist, stimmen zuversichtlich für 2013.

Derartig rosige Ergebnisse, monierten GS-Kritiker bereits Tage zuvor, seien nur durch eine trickreiche Umgehung des sogenannten Eigenhandelsverbots zustande gekommen. Dabei handelt es sich um eine – allerdings noch nicht verabschiedete – Passage aus dem „Dodd Frank Act“, auch bekannt als „Volcker-Regel“, mit der 2010 die US-Finanzmarktreform eingeleitet wurde. Diese soll kurzfristigen Investments, die Banken mit eigenem Geld und nur für sich, nicht für einen Kunden eingehen, einen Riegel vorschieben.

Solche Wetten waren auch als Krisenauslöser identifiziert worden. „Wir haben diese Aktivitäten eingestellt“, hatte Blankfein versprochen. Der Nachrichtendienst Bloomberg deckte allerdings auf, dass eine Abteilung namens „Multi-Strategy Investing“ (MSI) Wetten über eine Milliarde Dollar eingegangen war – aber über keine Kunden verfügt. GS erklärte, dass das Team auf längerfristige Investments setze, die nur in Ausnahmefällen kurzfristig beendet würden.

Ebenfalls für Verstimmung sorgte die Tatsache, dass die Bank die Auszahlung von Boni verschiebt: Für das Jahr 2012 bekamen in den USA einige Mitarbeiter ihre Boni statt zwischen Jänner und März dieses Jahres bereits im Dezember ausbezahlt, um dem ab 1. Jänner erhöhten Spitzensteuersatz zu entgehen. Und in Großbritannien konnte nur ein Privatissimum mit Vertretern des Finanzministeriums verhindern, dass das Unternehmen die Boni für 2009 bis 2012 auf den 7. April 2013 schiebt – dem ersten Tag, nach dem der britische Spitzensteuersatz wieder von 50 auf 45 Prozent gesenkt wird.

„Deprimierend“ nannte dieses Vorgehen Mervyn King, Chef der Bank of England. Er wird im März von dem Kanadier Mark Carney abgelöst, der etwas mit dem EZB-Chef Mario Draghi gemeinsam hat: Sie beide waren – wie viele andere einflussreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik früher einmal – bei Goldman Sachs (siehe „Das einflussreiche Netzwerk von Goldman Sachs“).

Und schon sind sie wieder da: die Verschwörungstheorien, mit denen die Macht der Banker beschworen wird, die Lebensläufe von Menschen, die sich bei klandestinen Treffen kreuzen, die Vorwürfe der Insiderei und der Abgehobenheit vom Rest der Welt. Dabei hatte sich Goldman Sachs solche Mühe gegeben.

Image aufpoliert

New York, Ende Oktober 2012. Die Aufräumarbeiten nach dem verheerenden Hurrikan Sandy sind in vollem Gange, und mittendrin ein schmächtiger, aber drahtiger Endfünfziger – Lloyd Craig Blankfein. 20 Millionen Dollar hatte sein Haus gerade für den Wiederaufbau gespendet. „Blankfein stand da im Unterhemd, das total verschwitzt war. Er legte keine Pausen ein, aß und trank nichts. Er räumte bloß unermüdlich die schweren Brocken weg“, gab ein Einsatzleiter des Goldman-Hilfsteams dem Finanz-Tratschblatt „Business Insider“ zu Protokoll.

Diese Katastrophen-Aktion war freilich nur der Höhepunkt einer beispiellosen PR-Kampagne, mit der Goldman Sachs im Vorjahr versuchte, ihr gehörig ramponiertes Image aufzupolieren. Außerdem überarbeitete die Bank ihre Corporate-Governance-Regeln und jene für Kundenkontakte, sie stellte ihre Businesssegmente neu auf, verschärfte Investmentregeln und tauschte Leute im Board aus.

Das alles lässt Goldman Sachs heute zumindest wirtschaftlich besser dastehen als viele andere US-Banken. Offenbar sei es gelungen, den Reißaus der Kunden zu verhindern, sagen Experten. „Zerstörerisch wie immer“, nennt unterdessen die Finanzmarkt-kritische Bewegung „Occupy Wall Street“ GS auf dem Nachrichtendienst Twitter. Und Gründe für die Skepsis gegenüber den „Goldmännern“ gibt es genug.

Politischer Einfluss

Bereits vor der Krise stand das Kürzel GS für „Government Sachs“, also den immensen politischen Einfluss der Bank. Vom Blankfein-Vorgänger und Ex-US-Finanzminister Henry Paulson bis zum EZB-Präsidenten Mario Draghi – gleich den Näpfen eines „blutsaugenden Kraken“, so das US-Magazin „Rolling Stone“, waren und sind ehemalige Banker nach wie vor in den höchsten öffentlichen Ämtern zu finden. Bis heute gibt das weltweite GS-Netzwerk jede Menge Stoff für dunkle Verschwörungstheorien her. Der Vorwurf: Goldman Sachs richtet es sich ganz nach Belieben.

Der 2011 veröffentlichte Kongressbericht über die Ursachen der Krise brandmarkte die skrupellose Geschäftspolitik von Goldman Sachs als einen der Hauptgründe für deren Ausbruch. GS hatte – in einer Aggressivität, die nur von der Deutschen Bank übertroffen wurde – nicht nur faule Hypothekenpapiere weltweit einer Unzahl von gutgläubigen Kunden angedreht, sondern insgeheim auch noch auf deren Ausfall gewettet. Besondere Perfidie: Noch 2007 strich Blankfein, der sich 2009 in einem Interview gerühmt hatte, „Gottes Werk“ zu tun, für diese Strategie einen Rekordbonus von 68,5 Millionen Dollar ein. Zwei Jahre später konnte das Haus einen Rattenschwanz drohender Betrugsklagen nur durch eine Strafzahlung in der Höhe von 550 Millionen Dollar und eine weitere Spende von 500 Millionen Dollar für krisengebeutelte Unternehmen abwenden.

Dennoch hatte das Traditionshaus an der Adresse 200 West Street in Lower Manhattan wie kaum eine andere Bank die größte Finanzkrise seit dem 2. Weltkrieg erstaunlich gut überstanden. Während der Konkurrent Lehman Brothers im September 2008 mit Bomben und Granaten pleiteging, griff der amerikanische Staat – unter der Federführung des Ex-Goldman-Mannes Henry Paulson – der Bank mit einer 10-Milliarden-Dollar-Finanzspritze, für die er Goldman-Aktien kaufte, unter die Arme. Das Congressional Oversight Committee, eine Kontrolleinheit des US-Repräsentantenhauses, stellte in einer späteren Untersuchung der Staatshilfe fest, dass die USA für die Goldman-Aktien 3,5 Milliarden Dollar mehr gezahlt hatten, als sie zu diesem Zeitpunkt wert waren. Und dass Paulson auch noch den Versicherungskonzern AIG mit 150 Milliarden Dollar Steuergeldern rettete, haben Kritiker bis heute nicht vergessen. Denn ein Untergang von AIG hätte wohl auch Goldman Sachs mit sich gerissen, weil der Versicherer ihr Milliarden schuldete.

Doch nur ein Jahr später, während die Welt sich immer tiefer in die Krise bohrte und allein die US-Wirtschaft um 3,5 Prozent schrumpfte, war Goldman Sachs mit voller Macht zurück auf der Bühne der Gewinner. Mit einem Gewinn von 13,4 Milliarden Dollar erzielte die Investmentbank ein Rekordergebnis – anders als sonst schlug sich das allerdings nicht in vollem Ausmaß in den Boni und Gehältern seiner damals 30.000 Mitarbeiter nieder. Mit einem durchschnittlichen Verdienst von rund 498.000 Dollar konnten diese dennoch nicht klagen.

Aber spätestens im März 2012, als der ehemalige Goldman-Sachs-Topmanager Greg Smith in einem Kündigungsschreiben in Form eines offenen Briefes in der „New York Times“ („Warum ich Goldman Sachs verlasse“) die „vergiftete, destruktive und moralisch verrottete“ Unternehmenskultur seines Ex-Arbeitgebers anprangerte, wo Kunden nur „abgezockt“ und als „Deppen“ („Muppets“) bezeichnet würden, war es Zeit für die Investmentbank, in die Sympathie-Offensive zu gehen. Der bis dahin amtierende Kommunikationschef Lucas van Praag, dessen PR-Strategie der „New York Observer“ als „ausgestreckten Mittelfinger, den jeder sehen sollte“ taxierte, wurde von Ex-Clinton-Pressesprecher Jake Stewart abgelöst. Und der schickte Blankfein von Interview zu Interview, zu Beschwichtigungs-, Charity- und Hilfsauftritten à la Sandy.

Mythisches Camelot

Goldman Sachs steht also Anfang 2013 wieder dort, wo das Unternehmen zu stehen gewohnt war: zum einen in den oberen Rängen der Finanzwirtschaft, zum anderen im Zentrum der Kritik. Institutionen wie Goldman Sachs stehen seit der Krise nämlich unter Generalverdacht. Die öffentliche Wahrnehmung von Goldman Sachs schwankt nach wie vor zwischen Verachtung und Bewunderung, zwischen Verteufelung und Verherrlichung.

Für die einen ist die Investmentbank in erster Linie schuld an der jüngsten Finanzkrise, mitverantwortlich für die Internetblase um den Jahrtausendwechsel und Skandalbank schlechthin. Für die anderen ist Goldman Sachs ein mythisches Camelot, wo sich die intelligentesten Absolventen der besten Universitäten versammeln. Kurzum: ein Ort mit magischer Anziehungskraft. Laut Blankfein haben sich allein in den Jahren 2010 und 2011 rund 300.000 Leute um eine Stelle bei Goldman Sachs bemüht. Eingestellt wurden in diesem Zeitraum aber nur rund 4.000 Bewerber.

Schenkt man jedoch dem Ex-GS-Manager Smith und dessen Ende 2012 erschienenem Abrechnungsbuch „Die Unersättlichen“ Glauben, ging und geht es dieser „Elite aus smarten, belastbaren jungen Talenten“ nur darum, aus ihren Kunden möglichst viel Geld rauszupressen und diese zu „verarschen“. Je nach Leichtigkeit der Beute wurden sie in vier Kategorien eingeteilt. Mit den „Smart Clients“, meist Hedgefonds, wurde bei großen Spekulationen gemeinsame Sache gemacht. „Wicked Clients“, die selbst versuchen, etwa mittels Insider-Trading ihre Kunden übers Ohr zu hauen, wurden „vorsichtig respektiert“. Die „Simple Clients“, der GS-Code für große Fondsgesellschaften und Rentenversicherungen, galten als nicht ausreichend clever und damit leichte Beute. Und die willfährigsten Opfer waren „Clients who don’t know how to ask the right questions“ – gutgläubige Opfer, denen man jedes noch so „exotische“ Papier andrehen konnte.

Schenkt man aber Lloyd Blankfein Glauben, so sei das alles ein alter Hut. Inzwischen verweist er darauf, dass Goldman Sachs in keinen der großen Skandale des Vorjahres wie etwa in die Libor-Manipulation involviert gewesen sei. Viel lieber spricht er seit kurzem über ein ganz neues GS-Produkt – den Social-Impact-Bond. Das ist ein Wertpapier, mit dem man auf die Resozialisierungsquote von US-Häftlingen wetten kann.
Goldman Sachs und der Hellas-Schwindel
http://www.format.at/articles/1303/525/350624_s2/goldman-sachs-hellas-schwindel
Dass die Buchhaltung der griechischen Staatsschulden einem Buch mit sieben Siegeln glich, war den Wächtern von Eurostat schon lange klar. Mal fehlten horrend hohe Militärausgaben, mal die Schulden für die Krankenhäuser. Aber dass die Hellenen bei der Euro-Umstellung 2002 über das wahre Ausmaß ihrer Verbindlichkeiten logen, um den Maastricht-Kriterien gerecht zu werden, hätten sich nicht einmal die gestrengen Euro-Statistiker träumen lassen.
Wie sich dann 2010 herausstellte, hatte es die griechische Regierung mithilfe eines von Goldman Sachs orchestrierten Cross-Currency-Swaps geschafft, die europäischen Währungswächter fast ein Jahrzehnt lang hinters Licht zu führen. Die New Yorker Investmentbank hatte den Währungsswap mit fiktiven Wechselkursen konstruiert und Griechenland so nicht nur rein rechnerisch eine Milliarde Dollar zusätzlichen Kredit verschafft, sondern den wahren Schuldenstand so ganz legal über Jahre hinweg verschleiert.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Hintergrundinfos und verschlagwortet mit von Werner Drizhal. Permanenter Link zum Eintrag.

Über Werner Drizhal

Den Lehrberuf "Elektromechaniker für Starkstrom" in der AMAG-Ranshofen erlernt. Als Jugendvertrauensratsvorsitzenden zum ÖGB-Oberösterreich als Jugendsekretär gewechselt. Nach Absolvierung der Sozialakademie als ÖGB-Bezirkssekretär für Linz-Land gearbeitet. 1996 bis 1999 Mitglied eines OE-Teams der ÖGB-Zentrale, wo ich mich mit Organisationsentwicklung der ÖGB-Bezirkssekretariate und Mitwirkungsfragen von FunktionärInnen in der Gremienarbeit beschäftigte. 1999 in die ÖGB-Zentrale als Personalentwickler gewechselt. Hauptverantwortlich für die Einführung von MitarbeiterInnengesprächen im ÖGB. Umsetzung von professionellen Personalinstrumenten in der ÖGB-Zentrale. Ausbildung in systemischen Coaching und Erlebnispädagogik absolviert. 2007 Wechsel in die Bildungsabteilung der GPA-djp. Zur Zeit Leiter des Geschäftsbereichs Bildung - Gewerkschafts- und Personalentwicklung in der GPA-djp.

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