Steuerpolitik aktuell: Lohnsteuer runter! (Doku)

Ende Juni 2014 startete der Österreichische Gewerkschaftsbund mit der groß angelegten „Lohnsteuer runter!“ für eine höchst notwendige Steuerreform mit dem Ziel, die Arbeitsseinkommen steuerlich zu entlasten, damit endlich wieder „mehr Netto vom Brutto“ in den Taschen der ArbeitnehmerInnen bleibt.

David Mum, SE SteuerreformSo einfach und einleuchtend der Titel der Kampagne auch ist, und so überwiegend akzeptiert auch die damit zum Ausdruck gebrachten Forderungen auch sind, so vielschichtig und komplex sind doch auch die Hintergründe, die sich hinter der Forderung verbergen. Es geht dabei nicht nur um die Frage einer Steuersenkung, sondern auch um Fragen der Finanzierung öffentlicher Leistungen und der Errungenschaften des Sozialstaates, um steuerpolitische Details und nicht zuletzt um Fragen der Verteilungsgerechtigkeit.

Der damit also groß aufgespannte Bogen des Themas war Gegenstand unseres Seminars „Steuerpolitik aktuell: ‚Lohnsteuer runter!'“ mit einem Input und unter der Leitung von David Mum, „Steuerreform – Details und Hintergründe“ (PDF) am 20. August 2014 in der GPA-djp.

Hochsteuerland für ArbeitnehmerInnen*

„Die Einnahmen aus der Lohnsteuer steigen immer stärker, während Vermögen kaum zur Finanzierung staatlicher Aufgaben herangezogen wird. Dieses Ungleichgewicht muss beseitigt werden.“

Ungleiche Steuerlast

Kalte Progression

„Mit Ausnahme des Jahres 2009, als die bisher letzte Steuerreform umgesetzt wurde, wachsen die Lohnsteuereinnahmen Jahr für Jahr weitaus stärker als die Löhne und Gehälter. Selbst wenn die Löhne nur im Ausmaß der Inflation erhöht werden, es also gar keinen echten Einkommenszuwachs gibt, steigt die Steuerbelastung – dieser Effekt wird als kalte Progression bezeichnet. Netto bleibt den Menschen dann ein reales Minus! Das führt dazu, dass der Staat in immer größerem Ausmaß von den ArbeitnehmerInnen finanziert wird.“

Österreich ist eine Steueroase für Vermögende

„Dagegen sind die Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern immer noch beschämend gering. Diese betragen lächerliche 1,3 % des Steueraufkommens. Hier ist Österreich im internationalen Vergleich Schlusslicht. In den westeuropäischen Staaten (EU 15) liegt der Anteil der vermögensbezogenen Steuern immerhin bei 5,3 %. Das ist viermal so hoch wie in Österreich.“

Vermögenssteuern international

Geld ist genug da – in den wenigen Händen einer kleinen Vermögenselite

„Die Einbußen für die ArbeitnehmerInnen sind auch deshalb so empörend, weil auf der anderen Seite die Vermögen hoch konzentriert sind und sehr rasch zunehmen. Die Reichen werden also immer reicher. Vermögen ist in Österreich höchst ungleich verteilt: Die reichsten 5 % besitzen 57 % des Vermögens. Die unteren 50 % nur 2,2 %. Niemand kann ernsthaft behaupten, dass die obersten 5 % deshalb mehr als die Hälfte des Vermögens auf sich konzentrieren, weil sie sich das erarbeitet haben.“

Vermögensverteilung

In anderen Zahlen ausgedrückt: 72.100 MillionärInnen (davon allein 17.900 in Wien) in Österreich (= 0,85% der Bevölkerung) besitzen ein Drittel des in Österreich vorhandenen Finanzvermögens. Die reichsten 10% besitzen ganze zwei Drittel dieses Finanzvermögens. Alleine die zehn reichsten ÖsterreicherInnen besitzen 68,5 Milliarden Euro. Das Vermögen dieser Superreichen stieg um 7 bis 10 % jährlich, das ist dreimal stärker als der Anstieg des Wirtschaftswachstums. (Quelle: Valluga Vermögensreport 2012, siehe auch: news.ORF.at: „4.600 neue Millionäre 2013“)

Steuerreform: Lohnsteuer runter – Vermögenssteuer rauf!

Angesichts der enormen Ungleichverteilung der Steuerlast zwischen Arbeitenden und Vermögenden bedarf es nicht nur einer Strukturreform der Einkommens- bzw. Lohnsteuer (z.B. Senkung des Eingangssteuersatzes). Seit Jahren fordert die GPA-djp daher Vermögenssteuern, wie es Wolfgang Katzian wiederholt auf den Punkt bringt:

„In dieser Situation sind progressive Steuern auf große Vermögen [Anm.: wie sie auch der Ökonom Thomas Piketty fordert] beinahe die zwingende Konsequenz. Denn, dass einige wenige immer reicher werden, stößt vielen Menschen nicht nur in Österreich übel auf. Dass die Dominanz von ererbtem Vermögen den sozialen Aufstieg durch Arbeit und Leistung immer schwieriger macht, spüren die Menschen am eigenen Leib. Reich wird man durch Erben und nicht durch Arbeit.“ (Wolfgang Katzian, „Gegensteuern“, Kompetenz 04/2014)

Lohnsteuer runter - Vermögenssteuer rauf

Das ÖGB-Modell zur Besteuerung von Vermögen

Der Freibetrag

Der ÖGB fordert seit langem die Einführung einer Vermögenssteuer. Zuletzt wurde diese Forderung am ÖGB Bundeskongress 2013 beschlossen. Das geforderte ÖGB-Vermögenssteuermodell sieht einen Freibetrag von 700.000 Euro vor. Bestehende Vermögenswerte (z.B.: Immobilien, Fahrzeuge, Bankeinlagen, Aktien; vergleiche dazu den Vermögensrechner auf www.binichreich.at) werden zusammengerechnet. Von der so errechneten Vermögenssumme sind Kredite, beispielsweise ein Wohnbaukredit der viel beschworenen „Häuslbauer“, abzuziehen. Was so an Vermögen errechnet wird, wird ab 700.000 Euro gestaffelt besteuert, das heißt: bei einem Vermögen von 701.000 Euro wären für 1.000 Euro 0,5 % an Steuern zu bezahlen, also 5,- Euro. Der höchste Steuersatz liegt in dem Modell bei 1,5 %. Die Veranlagung zur Vermögensteuer ist jährlich vorzunehmen. Etwaige ArbeitnehmerInnen, die über derartige Vermögen verfügen, würden im Gegenzug ebenfalls von einer Senkung der Lohnsteuer profitieren, auch sie hätten monatlich mehr Netto vom Brutto! Das Ziel der geforderten Reform ist schließlich die Entlastung der Arbeitseinkommen.

ÖGB-Modell Vermögenssteuer

Soziale Treffsicherheit: Der Großteil der Bevölkerung ist nicht betroffen

Der Freibetrag garantiert, dass durchschnittlich Vermögende keine Vermögensteuer zahlen müssen. Das lässt sich aus allem, was wir bislang über die Vermögensverteilung in Österreich wissen, ableiten. So hat beispielsweise die Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) das Immobilienvermögen privater Haushalte erhoben. Das gesamte in Österreich vorhandene Immobilienvermögen wird auf 690 Milliarden Euro geschätzt. Der mittlere Wert (Median) des Immobilienvermögens von Eigentümerhaushalten am Hauptwohnsitz beträgt 200.000 Euro. Eine Minderheit von 10 % der in Österreich ansässigen Bevölkerung besitzt 60 % aller Immobilien, während 40 % überhaupt keinen Immobilienbesitz haben. Auf Grund der Verteilung des Vermögens (vor allem Immobilien) hat die OeNB geschätzt, dass von einer Vermögenssteuer gemäß ÖGB-Modell nur ungefähr 7 % der österreichischen Bevölkerung betroffen wären. Die Frage, ob man selbst zu dieser Minderheit gehört und vermögenssteuerpflichtig nach ÖGB-Modell wäre, kann mit diesem Online-Vermögenssteuerrechner beantwortet werden! (Alternativ dazu der Vermögenssteuerrechner nach GPA-djp-Modell.)

Damit ist im Grunde auch leicht ersichtlich, dass die von Wirtschaftsbund, Wirtschaftskammer, Bauernbund und Industriellenvereinigung ins Treffen geführte Behauptung, hier würde der sogenannte Mittelstand besteuert, nichts weiter als Panikmache und Propaganda zum Schutz eigener Pfründe ist.

„Dieses Mittelstandsargument ist eine reine Farce. Mich wundert, dass die Finanzministerin und die Herren von der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer nicht selbst drüber lachen müssen. Wie soll eine Vermögenssteuer mit einem Freibetrag von 700.000 Euro oder gar einer Million Euro den Mittelstand treffen? Wir dürfen bei der Diskussion um die Vermögenssteuer nicht in die Mittelstandsfalle tappen. Wenn Frau Fekter, Herr Leitl, Herr Kapsch oder auch Herr Keuschnigg vom IHS der Meinung sind, Millionäre gehören zum Mittelstand, dann lassen wir Ihnen doch diese Meinung. Dann besteuern wir eben diese Mittelstandsmillionäre.“ (Wolfgang Katzian, Kompetenz Sondernummer Mai 2013)

Sozial gerechte, einnahmenseitige Budgetpolitik

Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Diese Situation ist vor allem auch den sozialstaatlichen Errungenschaften zu verdanken, die – wie oben dargestellt – in erster Linie durch die steuerlichen Abgaben von ArbeitnehmerInnen finanziert werden. Der private Reichtum, der nur in einem Umfeld sozialen Friedens aufgrund gut ausgebauter Bereiche der öffentlichen Infrastruktur, Sicherheit, Gesundheitsversorgung, Bildung etc. aufgebaut werden, ist mittlerweile allerdings enorm ungleich und ungerecht verteilt, die viel zitierte „Schere zwischen arm und reich“ geht zunehmend weiter auf.

In der Budgetpolitik, die die Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Gesellschaftspolitik vorgibt, geht es um die Ausrichtung des Verhältnisses zwischen Einnahmenseite (Steuern und Abgaben) auf der einen und Ausgabenseite (Sparmaßnahmen versus Investitionen) auf der anderen Seite. Dabei stehen zwei Punkte fest:

  1. Die ArbeitnehmerInnen leisten mit ihren Steuern und Abgaben den Hauptbeitrag zur Finanzierung des öffentlichen Haushalts bzw. des Staatsbudgets.
  2. Einsparungen belasten in erster Linie Personen mit niedrigen Einkommen, also vor allem ArbeitnehmerInnen, die noch dazu in der Mehrheit über keine Vermögen verfügen.

Es ist also erstens nachvollziehbar, dass der Lebensstandard in Österreich ein gut aufgestelltes Staatsbudget braucht. Zweitens spricht alles dafür, die Finanzierung des Staatsbudgets (endlich!) über einnahmenseitige Maßnahmen zu organisieren, die nicht nahezu ausschließlich die ArbeitnehmerInnen tragen. Es ist daher höchste Zeit für eine Steuerreform, die diesen Namen verdient!

Mit den vom ÖGB vorgeschlagenen Vermögenssteuermodell lassen sich bis zu drei Milliarden Euro jährlich (!) an Mehreinnahmen lukrieren, die zum Teil als Lohnsteuersenkung allen ArbeitnehmerInnen zu Gute kommen und auch für die Sicherung von öffentlichen Leistungen und Invesitionen als Basis gesellschaftlichen Wohlstands aufgewendet werden könnten. Das würde bedeuten, dass der so gerne überstrapazierten Mittelschicht nach Einführung einer Vermögensteuer nach gewerkschaftlichen Vorstellungen sogar mehr in der Geldbörse bliebe hat als bisher.

Darüber hinaus handelt es sich bei der Vermögenssteuer um eine nachhaltige Budgetmaßnahme, die sowohl kontinuierliche Steuereinnahmen verspricht als auch die betroffenen Vermögen nicht in Mitleidenschaft ziehen würde. Eine wesentliche positive Wirkung der Vermögenssteuer wäre nämlich, dass von einem jährlichen Anstieg der Steuereinnahmen auszugehen ist. Das hat zwei Gründe:

  1. ist auch bei der Vermögenssteuer von einem Inflationseffekt der kalten Progression auszugehen, der positiv auf die Steuereinnahmen wirkt,
  2. ist nicht davon auszugehen, dass bloß durch eine im internationalen Vergleich eher sanfte Maßnahme wie die Vermögensteuer der immense Vermögenszuwachs der reichsten 10 % gestoppt würde – und wachsende Vermögen bedeuten dann (!) steigende Steuereinnahmen.

Und zu guter letzt: Die von Wirtschaftskammer & Co. viel beschworene Gefahr der Vermögensflucht ist ebenfalls weit mehr Propaganda als realistisches Szenarion. Internationale Beispiele zeigen, dass Vermögende nicht aufgrund einer kleinen Vermögensabgabe „flüchten“, sondern eher wegen hohen Einkommensteuersätzen auf laufende Einkommen. Im Übrigen wäre die Fragen zu beantworten:

  • wohin würden Vermögen „flüchten“, wenn es (siehe oben!) überall sonst (höhere) Vermögenssteuern gibt als in Österreich und
  • wie würden sie „flüchten“, wenn es sich in hohem Ausmaß um „standortgebundenes“ Immobilienvermögen handelt?

*) Sofern nicht anders angegeben, sind die im Fogenden zitierten Textpassagen dem Artikel „Lohnsteuer runter – Vermögenssteuer rauf!“ von David Mum in der Ausgabe 04/2014 der GPA-djp Mitgliederzeitschrift „Kompetenz“ entnommen.

Jetzt weiter unterstützen!

Bitte helft weiter tatkräftig mit, damit wir in den kommenden Wochen die Zahl der Unterschriften ein weiteres Mal verdoppeln können – im Familien- und Freundeskreis, bei Bekannten und allen, die ihr erreichen könnt. Link zur Unterschriftensammlung: www.lohnsteuer-runter.at

Konferenz am 18. September: Sei dabei!

Die ExpertInnen aus ÖGB, Gewerkschaften und AK erarbeiten derzeit ein Modell für die Entlastung von ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen, das im Rahmen der BelegschaftsvertreterInnen-Konferenz am 18. September 2014 im Wiener Austria Center vorgestellt wird.
Wann: 18. September 2014 von 11 bis 13 Uhr
Wo: Wien, Austria Center Vienna (ACV)
Infos und Anmelden unter: www.lohnsteuer-runter.at/anmelden

Weitere interessante Links zum Thema

www.wege-aus-der-krise.at

www.steuermythen.at

www.binichreich.at

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„Gerade erst mit dem Geld der Steuerzahler gerettet, erarbeiten die Banken neue Strategien, um ihren reichen Kunden die Steuerhinterziehung zu ermöglichen. Die Entlarvung von Steuerflüchtlingen wie Amazon und Total macht begreiflich, wie die tiefen Löcher in Europas Staatskassen entstehen konnten.“

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