Buchtipp: Buchengasse 100

buchengasseArbeitergeschichte sehr persönlich, authentisch und packend.
Oswalda „Ossy“ Sokopp wurde 1923 in eine Wiener Arbeiterfamilie geboren. Aufgewachsen in der Buchengasse 100 im 10. Gemeindebezirk, begleiteten sie Ausbeutung und Elend des Proletariats von frühester Kindheit an. Ihre ganze Verwandtschaft, das merkte sie bald, stand gegen diese schreiende Ungerechtigkeit im Kampf, im Klassenkampf. Oswalda Tonka hat die Geschichte dieses Kampfes als Familiengeschichte dreier Generationen aufgeschrieben, ihre Tochter Gitta machte daraus das vorliegende Buch.

Oswalda Tonka, Paperback, 232 Seiten
Promedia, 2015, ISBN 978-3-85371-405-8, EUR 17,90
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Die Geschichte beginnt mit der Politisierung von Oswaldas Großvater Jakob, der als 19-Jähriger an der Seite Andreas Scheus am ersten Parteitag der Arbeiterbewegung in Neudörfl, an der Geburtsstunde der österreichischen Sozialdemokratie, teilnahm. Dort freundete er sich mit dem späteren Wiener Bürgermeister Jakob Reumann an und gründete die Gewerkschaft der Metalldrucker.

Oswaldas Vater, Jakob jun., engagierte sich trotz schwerer Kriegsinvalidität im „Roten Wien“ für das Recht der Arbeiter auf „Licht, Luft und Sonne“. Sein Bruder Otto, Schutzbündler und Adjutant des Kommandanten Eifler, erlebte den Justizpalastbrand 1927 im Inneren des Gebäudes. Im Februar 1934 nahm er aktiv am Widerstand gegen die Austrofaschisten teil. Während des Zweiten Weltkrieges überlebte er als einer der wenigen das „Massaker von Stein“, bei dem im April 1945 mehrere Hundert überwiegend politische Häftlinge im niederösterreichischen Gefängnis von den Nazis ermordet wurden. Ein anderer Onkel, Johann Sokopp, arbeitete mit der bekannten Widerstandskämpferin Käthe Sasso zusammen und wurde 1944 zum Tode verurteilt und geköpft.

Oswalda Tonka selbst beteiligte sich in den frühen 1940er-Jahren als junge Frau an Sabotageaktionen in einem kriegswichtigen Betrieb in Wien und floh vor einem Einberufungsbefehl der Wehrmacht zu slowenischen Partisanen, mit denen sie gegen die Nationalsozialisten kämpfte.

Mit „Buchengasse 100“ ist Oswalda Tonka ein Meisterwerk zur österreichischen Arbeitergeschichte gelungen, literarisch anspruchsvoll, packend erzählt und historisch detailgetreu. Die Sokopp-Tonkas waren über 100 Jahre lang an zeitgeschichtlichen Brennpunkten zugegen.

 

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Über Werner Drizhal

Den Lehrberuf "Elektromechaniker für Starkstrom" in der AMAG-Ranshofen erlernt. Als Jugendvertrauensratsvorsitzenden zum ÖGB-Oberösterreich als Jugendsekretär gewechselt. Nach Absolvierung der Sozialakademie als ÖGB-Bezirkssekretär für Linz-Land gearbeitet. 1996 bis 1999 Mitglied eines OE-Teams der ÖGB-Zentrale, wo ich mich mit Organisationsentwicklung der ÖGB-Bezirkssekretariate und Mitwirkungsfragen von FunktionärInnen in der Gremienarbeit beschäftigte. 1999 in die ÖGB-Zentrale als Personalentwickler gewechselt. Hauptverantwortlich für die Einführung von MitarbeiterInnengesprächen im ÖGB. Umsetzung von professionellen Personalinstrumenten in der ÖGB-Zentrale. Ausbildung in systemischen Coaching und Erlebnispädagogik absolviert. 2007 Wechsel in die Bildungsabteilung der GPA-djp. Zur Zeit Leiter des Geschäftsbereichs Bildung - Gewerkschafts- und Personalentwicklung in der GPA-djp.

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