Was denken die Angestellten? (7/10)

Eine Befragung von Handels- und Bankenbeschäftigten zu Arbeitsbedingungen und gesellschaftlichen Entwicklungen

7. HERAUSFORDERUNG DIGITALISIERUNG

Bild: GPA-djp, fotolia.com

Laura Gabriel, Caryne Madonna Müller

Die heutige Arbeitswelt ist von tiefgreifenden Veränderungen und permanenten Forderungen nach zunehmender individuelle Anpassungsfähigkeit von ArbeitnehmerInnen geprägt. In den letzten Jahren ist ein verstärkter Schub technologischen Wandels hin zu einer digitalisierten Arbeitsumgebung zu beobachten. Die Digitalisierung bietet Chancen für ArbeitnehmerInnen – die Bedürfnisse in der Arbeit könnten mit den Bedürfnissen außerhalb der Arbeit besser in Einklang gebracht werden. Sie kann jedoch auch den Druck auf ArbeitnehmerInnen, vor allem in Zusammenhang mit der Sorge um den Erhalt des Arbeitsplatzes, erhöhen.

Wir haben uns daher in unserer Forschung mit den Einschätzungen der ArbeitnehmerInnen in Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung und Technisierung beschäftigt. Im Zentrum unserer Analysen standen zwei Thesen:

  • Die Annahme, dass durch zunehmende Technisierung immer mehr Arbeitsplätze verloren gehen und dass dieser Trend abhängig vom beruflichen Status bzw. dem Einkommen der Befragten ist.
  • Die Annahme, dass bei den Befragten auch positive Erwartungen mit der Digitalisierung verbunden werden (Stichwort: wachsende Flexibilität, erhöhte Work-Life-Balance).

Erwartungen zu Arbeitsplatzverlusten

Unsere Vermutung, dass ArbeitnehmerInnen im Einzelhandel und im Bankensektor annehmen, dass es aufgrund der zunehmenden Digitalisierung zu Arbeitsplatzverlusten kommen wird, konnte empirisch bestätigt werden. Im Bankensektor gibt es dafür eine sehr deutliche Tendenz: Mehr als 40 Prozent stimmen dieser Aussage sehr zu. Aber auch im Einzelhandel gehen beinahe 30 Prozent davon aus, dass durch eine Zunahme der Technisierung immer mehr Arbeitsplätze verloren gehen werden. Unabhängig vom Sektor stimmen dieser Einschätzung mehr als drei Viertel der Befragten sehr oder eher zu. Dies lässt sich gut mit den jüngsten Entwicklungen in den beiden Branchen erklären: Einerseits können Einzelhandelsangestellte beispielsweise von personenlosen Kassensystemen, Angestellte im Bankensektor andererseits vom Online-Banking betroffen sein. Bankangestellte sind stärker davon überzeugt, dass die Technisierung einen negativen Effekt auf den Abbau von Arbeitsplätzen hat. Diese Einstellung hängt sicherlich mit der Tatsache zusammen, dass es in diesem Sektor in den vergangenen Jahren bereits zu einem massiven Stellenabbau gekommen ist (siehe
Graphik 1).

Graphik 1: Erwartungen zu Arbeitsplatzverlusten nach Branche

Es ergeben sich auch – wie angenommen – interessante Unterschiede nach dem Einkommen der Befragten: So hatten Befragte, die ein Nettoeinkommen von über 3.200 Euro angaben, die höchste Zustimmung zu der Aussage, dass Technisierung Arbeitsplätze kosten wird. Dieses Ergebnis ist deshalb interessant, da es widerlegt unsere Annahme widerlegt, dass ArbeitnehmerInnen mit hohem Einkommen eher keinen Verlust ihres Arbeitsplatzes durch Technisierung befürchten. Dies könnte damit zusammenhängen, dass ein höheres Einkommen häufig auch mit höherer Bildung einhergeht und dies dazu anregt, gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen
genauer zu beobachten.

Erwartungen in Hinblick auf eine freiere Zeiteinteilung durch die Digitalisierung

Wir gingen davon aus, dass Bankangestellte in der Tendenz über eine höhere Ausbildung als ArbeitnehmerInnen im Handel verfügen und ihnen bereits jetzt eine freiere Zeiteinteilung ermöglicht wird. Daher nahmen auch wir an, dass insbesondere die Bankangestellten durch die zunehmende Digitalisierung eine Erweiterung ihrer Freiheiten in Bezug auf ihre Zeiteinteilung erwarten. Diese Vermutung konnte jedoch nicht bestätigt werden. Während fast 60 Prozent der Befragten im Bankensektor (eher) nicht der Meinung sind, dass die Arbeitszeiten in Zukunft flexibler werden, beträgt der Anteil der Befragten im Handel, die ebenso dieser Ansicht sind, knapp 70 Prozent (siehe Graphik 2).

Graphik 2: Erwartungen hinsichtlich künftiger Entwicklung flexibler Arbeitszeiten nach Branche

Weiters gingen wir davon aus, dass in Berufen mit höherem Einkommen in vielen Fällen bereits heute in hohem Maße selbstständiges Arbeiten gefordert wird, sodass diese Gruppe von ArbeitnehmerInnen bereits jetzt Gelegenheit hat, flexibler zu arbeiten – vorausgesetzt, sie erfüllt alle durch den/die ArbeitgeberIn vorgegebenen Aufgaben. Durch die zunehmende Technisierung werden – so nahmen wir an – ArbeitnehmerInnen mit höherem Einkommen somit eine weitere Arbeitszeitflexibilisierung erwarten. Dies bestätigte sich empirisch allerdings auch nicht: Über ein Viertel der ArbeitnehmerInnen mit einem monatlichen Nettoeinkommen bis 1.700 Euro stimmen der Aussage, dass es zukünftig flexiblere Arbeitszeiten durch Digitalisierung geben wird, gar nicht zu. Im Vergleich dazu sind nur etwas mehr als ein Fünftel der Befragten mit einem Einkommen von über 3.200 Euro im Monat dieser Meinung. Eine Erklärung hierfür wäre, dass die Spielräume bei hohem Einkommen bereits als weitgehend erschöpft betrachtet werden, während in Tätigkeitsbereichen mit niedrigerem Einkommen noch Spielraum nach oben ist.

Im Allgemeinen ergibt sich nach der Auswertung unserer Forschungsfragen das Bild, dass Digitalisierung zu einer großen Verunsicherung und damit zu einer negativen Erwartungshaltung führt, die sich durch beide Branchen zieht. Je höher das Einkommen, umso skeptischer die Befragten. Die Einschätzung, dass durch zunehmende Technisierung immer mehr Arbeitsplätze verloren gehen, ist bei den Befragten in beiden Branchen sehr hoch; sie ist allerdings auch abhängig vom beruflichen Status bzw. dem Einkommen der
Befragten.

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