FAQs zur „Arbeitszeitflexibilisierung“

Die Organisationen der Arbeitgeber, Wirtschaftskammer (WKO) und Industriellenvereinigung IV), nehmen derzeit viel Geld in Hand, um die „Flexibilisierung“ der Arbeitszeit zu bewerben. Mit den Werbekampagnen, sollen die Vorhaben der Regierung zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes, die im Wesentlichen die Umsetzung der Programme von WKO und IV, bedeuten unter Titeln wie „moderne Arbeitswelt“, „schöne neue Arbeitswelt“ schön reden. „Flexibilisierung“ setzen die Wirtschaftslobbys dabei schnell „mehr Freiheit“ gleich und behaupten „Freiwilligkeit“ bei Mehrarbeit der Beschäftigten oder auch, dass mit der Ausweitung der Arbeitszeit ein besseres Einkommen zu erwarten wäre. Alleine die Wirtschaftkammer hat sich ihre Kamapagne dazu laut Zeitungsberichten rund 500.000 Euro kosten lassen, um jede Menge Fakenews zu verbreiten – unter anderem per Video (54.000 Euro netto), das in kürzester Zeit so viel Spott von allen Seiten geerntet hat, sodass die Kampagne mittlerweile gestoppt wurde.

Bild: Kontrast.at

Zwar hat es die Regierung vermieden, den Initiativantrag zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes in den üblichen parlamentarischen Begutachtungsprozess zu schicken, dennoch gibt es bereits eine Vielzahl an Analysen, die die Behauptungen von Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und Regierung über die Auswirkungen des Gesetzesvorhabens auf Herz und Nieren prüfen. ExpertInnen der GPA-djp haben das natürlich genauso getan – die Ergebnisse stellen wir im Folgenden als FAQs zu den wichtigsten Punkten zur Verfügung:

Stimmt es, dass ich in Zukunft zwar 12 Stunden täglich arbeiten kann, aber nur auf Basis der Freiwilligkeit?

Nein. Das wird zwar seitens der Regierung behauptet, es stimmt aber nicht.

In Zukunft genügt dem Arbeitgeber erhöhter Arbeitsbedarf, um bis zu 12 Stunden Tagesarbeitszeit anordnen zu können. ArbeitnehmerInnen können die Überstundenleistung zwar ablehnen, aber nur „aus überwiegenden persönlichen Interessen“. Diese sind also nachzuweisen (z.B. Betreuungspflichten).
Ein geplantes Treffen mit Freunden, ein Familienabend oder ein vereinbartes Squashspiel wird nicht genügen, um sich der Überstundenleistung zu entziehen.
Es wird sehr viel schwieriger werden, das Privatleben zu planen.
Die Fremdbestimmung wird zunehmen, die Arbeit vorgehen.

Außerdem: Wie die Praxis zeigt, erfolgt Überstundenleistung nur sehr selten freiwillig, sondern eher durch (mehr oder weniger) sanften Druck des Arbeitgebers und Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes.

Bisher waren 12 Stunden die Ausnahme und an ganz bestimmte Voraussetzungen geknüpft, in Zukunft sind sie generell möglich.

Ich habe Gleitzeit. Was ändert sich für mich?

In Zukunft wird es möglich sein, im Rahmen der Gleitzeit fünfmal die Woche 12 Stunden zu arbeiten, dies ohne Zuschläge, denn Gleitstunden sind Normalarbeitszeit.
Nur angeordnete Überstunden sind zuschlagspflichtig. In der Praxis wird aber nur selten wirklich angeordnet bzw. erweist sich die Abgrenzung zwischen angeordneter und selbst eingeteilter Mehrarbeit als schwierig.

Gleitzeitregelungen bleiben bestehen. Es ist aber zu befürchten, dass Arbeitgeber alles daran setzen werden, bestehende Gleitzeitregelungen abzuändern und den 12-Stunden-Tag möglich zu machen.

Ich habe einen All-in-Vertrag. Muss ich jetzt automatisch bis zu 12 Stunden pro Tag arbeiten?

Wenn im Vertrag steht, dass alle Mehr- und Überstunden abgedeckt sind, wohl ja. Umso wichtiger wird dann die jährliche „Vergleichsrechnung“ sein, denn die Überzahlung wird in Zukunft schneller aufgebraucht sein. Nicht gedeckte aber geleistete Überstunden sind extra zu vergüten.

Abgelehnt werden können solche Überstundenleistungen nur „aus überwiegenden persönlichen Interessen“.

Stimmt es, dass mir auch in Zukunft wie bisher meine Überstunden vergütet werden?

Nicht unbedingt, auch wenn das seitens der Regierung behauptet wird. Dadurch, dass im Rahmen von Durchrechnungsmodellen geleistete Stunden in Zukunft nicht nur in die nächste Durchrechnungsperiode mitgenommen werden können, sondern in mehrere Perioden übertragbar sind, kann sich die Auszahlung bis zum „Sankt-Nimmerleins-Tag“ hinauszögern. Nur im Falle, dass Zeitguthaben nicht mehr übertragen werden können, sind die Stunden mit Überstundenzuschlag auszuzahlen.

Ich bin kein leitender Angestellter, aber als Außendienstmitarbeiter arbeite ich selbstbestimmt, auch hinsichtlich meiner Arbeitszeit. Falle ich in Zukunft aus dem Schutz von Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz heraus?

Das ist gut möglich, denn die Ausnahmen von Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz werden empfindlich ausgedehnt.
Für ArbeitnehmerInnen, denen maßgebliche selbstständige Entscheidungsbefugnis übertragen ist und deren gesamte Arbeitszeit aufgrund der besonderen Merkmale der Tätigkeit nicht gemessen oder im Voraus festgelegt werden kann oder von den ArbeitnehmerInnen selbst festgelegt werden kann, fallen aus dem Schutz der Gesetze. Da-mit wird das Arbeiten rund um die Uhr möglich, auch länger als 12 Stunden täglich. Auch die Ruhezeiten gelten nicht mehr.
Entscheidend wird in diesem Zusammenhang sein wie eng die Voraussetzung der „maßgeblichen selbstständigen Entscheidungsbefugnis“ definiert wird. Ohne eng gefasste Klarstellungen (Entscheidungsbefugnis nicht nur bei der eigenen Arbeitsleistung, sondern auch hinsichtlich des Betriebes/Unternehmens) werden sehr viele qualifizierte ArbeitnehmerInnen unter diese Ausnahme fallen.

Kann es sein, dass ich in Zukunft auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten muss? Mein Arbeitgeber behauptet das.

Durchaus. Bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf kann mit Betriebsvereinbarung bzw. – wenn es im Betrieb keinen Betriebsrat gibt – mit Einzelvereinbarung jede/r ArbeitnehmerIn pro Jahr an vier Sonn- und Feiertagen zur Arbeitsleistung herangezogen werden.
Ablehnen können ArbeitnehmerInnen die Wochenend- und Feiertagsarbeit nur, wenn sie in Form von Überstunden erfolgt und nur bei überwiegenden persönlichen Interessen.

Kann jetzt endlich eine 4-Tage-Woche vereinbart werden? Das würde mir als Pendlerin sehr gefallen.

Die Möglichkeit einer 4-Tage-Woche gibt es längst, auch wenn die Regierung anderes erzählt. Sie muss vereinbart werden. Es besteht allerdings kein Rechtsanspruch darauf (auch in Zukunft nicht).

Gibt es keine vereinbarte 4-Tage-Woche, stimmt es nicht, dass ArbeitnehmerInnen, die an 4 Tagen 12 Stunden gearbeitet haben, am 5.Arbeitstag „automatisch“ daheim bleiben dürfen.

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