Die Herkunft entscheidet über Bildungschancen – nicht die Fähigkeiten

Wir befinden uns im 21. Jahrhundert. Ganz Österreich erhält die beste Bildung! Ganz Österreich? Nein! Wie uns Studien seit Jahrzehnten – nicht erst seit den PISA-Studien! – vor Augen führen, ist es nach wie vor keineswegs ausgemacht, dass alle Kinder die „beste Bildung“ erhalten.

Man mag zunächst unterschiedlicher Ansicht darüber sein, was die „beste Bildung“ für ein Kind ist. Unumstritten ist Bildung eine wesentliche Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben und gesellschaftliche Teilhabe. Darüber hinaus ist bestmögliche Bildung für die gesamte Bevölkerung deshalb eine wesentliche Zielsetzung, da mit zunehmender Bildung auch die Chancen am Arbeitsmarkt und die Gehaltsaussichten steigen.

Kurz gewandt: je mehr Personen höhere bzw. höchste Bildungsabschlüsse erlangen, desto positiver wirkt sich das auf den gesellschaftlichen Wohlstand und den sozialen Frieden aus. Es geht aber nicht ausschließlich um höchste Bildungsabschlüsse für alle, sondern auch um qualitativ hochwertige Bildung auf allen Niveaus und vor allem auch darum, dass nicht nur jene Teile der Bevölkerung in den Genuss „bester Bildung“ gelangen, die bereits auf einem soliden Bildungsfundament stehen. Das ist in Österreich aber der Fall.

Würde Lisa Simpson, die Tochter der Zeichentrickfamilie ‚The Simpsons‘, in Österreich aufwachsen, wäre Ingolf Erler - Lisa Simpsones fraglich, ob sie einen akademischen Abschluss erreichen könnte. Der Vater ohne, die Mutter mit mittlerer Reife, in einer Kleinstadt lebend; in dieser Konstellation hätte Lisa, auch nach bereits absolvierter Matura, nur eine Chance von 6-8%, einen Unversitätsabschluss zu erreichen. Noch schwerer ist es in Österreich für Mädchen vom Land, deren Eltern höchstens Pflichtschulabschluss haben. Von den wenigen, die es bis zur Matura schaffen, erreichen nur 2% einen Universitätsabschluss. Die besten Chancen haben MaturantInnen aus städtischen AkademikerInnenfamilien mit 56% (Söhne) und 63% (Töchter), die nach der Matura noch eine Universität absolvieren.“ (Ingolf Erler: Soziale Ungleichheit im Bildungssystem. Eine Einleitung. In: Ingolf Erler (Hg.): Keine Chance für Lisa Simpson? Soziale Ungleichheit im Bildungssystem. Wien 2007: Mandelbaum, Seite 11.)

Diese und viele andere Daten zur ungleichen Verteilung von Bildungschancen aufgrund der sozialen Herkunft sind nicht neu, finden jedoch immer auf’s Neue Bestätigung. So kürzlich erst wieder in einer Sonderauswertung der Statistik Austria, die im Rahmen der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung im 2. Quartal 2009 durchgeführt wurde.

Statistik AT„Welcher Bildungsweg von jungen Erwachsenen eingeschlagen wird, bzw. welcher Bildungsabschluss erreicht wird, steht jedoch nach wie vor in engem Zusammenhang mit dem Bildungshintergrund der Eltern, ist also sozial selektiv. Je höher der formale Bildungsabschluss der Eltern, umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit der Kinder, eine höhere Schule oder eine universitäre Ausbildung abzuschließen.
Kommen die jungen Erwachsenen aus Familien, in denen die Eltern höchstens die Pflichtschule abgeschlossen haben, erreichen knapp 5% von ihnen einen akademischen Bildungsabschluss, bei jungen Erwachsenen mit akademischem Bildungshintergrund sind es hingegen 41% und im Gesamtdurchschnitt 12%. Umgekehrt zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit der Kinder, nur einen geringen formalen Bildungsabschluss zu erreichen, umso höher ist, je geringer die formale Schulbildung der Eltern ist. Knapp ein Drittel der Kinder aus Elternhäusern, in denen höchstens die Pflichtschule abgeschlossen wurde, schließen auch selbst keine weiterführende Schul- oder Ausbildung ab. […]
Auch wenn mehrere Faktoren, die den Bildungsweg beeinflussen, zugleich berücksichtigt werden – Geschlecht, Migrationshintergrund, höchste abgeschlossene Schulbildung der Eltern und Besiedelungsdichte – es gilt: je höher der Bildungsabschluss der Eltern, umso höher die Chance der Kinder auf einen akademischen Abschluss. So ist etwa die Chance, die Universität zu absolvieren, für Kinder aus einem Haushalt, in dem die Eltern höchstens einen Pflichtschulabschluss haben, rund 13-mal so gering wie für Kinder von Akademikern.“ (Statistik Austria: Bildungsstruktur der 15- bis 34-Jährigen im Vergleich mit ihren Eltern: Trend zur Höherqualifizierung.)

Die 2. Enquete unter dem Titel „Zukunft trotz(t) Herkunft. Jugend – Armut – Bildungschancen. An der Schnittstelle zwischen Schule, Ausbildung und sozialer Arbeit“ befasst sich wieder eingehend mit den problematischen Auswirkungen des hochgradig selektiven österreichischen Bildungssystems für benachteiligte Jugendliche.

„Bei der 2. Enquete zu diesem Thema soll der Frage nachgegangen werden, wie Sozial- und Bildungspolitik zusammenwirken müssen, um (sozial) benachteiligte Jugendliche in Schule, Ausbildung und Berufsintegration zu unterstützen.“

Die Enquete wird von Arbeiterkammer Wien, Die Armutskonferenz, Initiative Bildung Grenzenlos und Bundesweites Netzwerk Offene Jugendarbeit veranstaltet. (Das Programm im Detail als PDF.)

Link: Volksbegehren Bildungsinitiative, www.nichtsitzenbleiben.at

Die GPA-djp fordert seit vielen Jahren eine Reihe von Bildungsreformen. Unsere Positionen und Forderungen gehen zwar über jene des „Bildungsvolksbegehrens“ hinaus, dieses setzt aber wesentliche Akzente in der österreichischen Bildungsdiskussion und geht in die richtige Richtung.

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Ein Gedanke zu „Die Herkunft entscheidet über Bildungschancen – nicht die Fähigkeiten

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