100 Jahre Erste Republik. Grundlagen von Demokratie und Sozialstaat in Österreich (Doku)

Gemeinsam mit der Trainerin und Historikerin Elisabeth Luif setzten sich BetriebsrätInnen der GPA-djp anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Ersten Republik am 6. November 2018 mit Geschichte der Ersten Republik aus Perspektive der ArbeiterInnenbewegung und der Gewerkschaften auseinander. Ziel war es, das Bewusstsein über die eigene Geschichte zu schärfen und aufzuzeigen, dass soziale Rechte und demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten nicht selbstverständlich sind, sondern erkämpft wurden. Angesichts der zunehmenden Angriffe der derzeitigen Bundesregierung auf diese Rechte thematisierten wir auch die Frage: Kann sich Geschichte wiederholen?

Entwicklungen in der Ersten Republik

Am Vormittag erarbeiteten wir zunächst einen Überblick über die politischen Entwicklungen der Ersten Republik und sammelten dazu wichtige Ereignisse auf einem Zeitstrahl.

  • In den ersten beiden Jahren der Republik, von 1918 bis 1920, konnten viele Forderungen der ArbeiterInnenbewegung in einer Koalition zwischen sozialdemokratischer und christlich-sozialer Partei durchgesetzt werden.
  • Darunter das allgemeine Wahlrecht für Frauen und Männer, der Acht-Stunden Tag und die Allgemeine Arbeitslosenversicherung sowie die gesetzliche Verankerung von Arbeiterkammern und Betriebsräten –
  • Dies geschah nicht zuletzt unter Druck der revolutionären Umbruchsituation in vielen Ländern Europas. Dennoch waren diese Errungenschaften sehr bald Angriffen durch bürgerliche Regierungen ab 1920 ausgesetzt.
  • Mit der Ausschaltung des Parlaments im März 1933 und der Etablierung der austrofaschistischen Diktatur wurde demokratische Mitbestimmung abgeschafft und eine Politik des sozialen Kahlschlags betrieben.

Dieses Wissen konnte anschließend bei einer Führung durch die Ausstellung

„Der Staat, das sind wir – Die Geschichte der österreichischen Demokratie“

mit der Historikerin und Kuratorin Brigitte Pellar vertiefen.

Sie spannte dabei den Bogen auch zu den Entwicklungen während des Nationalsozialismus und in der Zweiten Republik: Erst nach 1945 wurde in Österreich wieder an die sozialstaatlichen Errungenschaften der Jahre 1918-1920 angeknüpft.

Wiederholt sich die Geschichte?

Am Nachmittag setzten wir einige Entwicklungen der Vergangenheit in Bezug zur gegenwärtigen Politik in Österreich. Drei Gruppen beschäftigten sich mit argumentativen Texten aus Geschichte und Gegenwart und verglichen dabei die Entwicklungen zum Thema Arbeitszeit, soziale Sicherung und den Arbeiterkammern.

  • Am Beispiel der Sozialversicherungsreformen von 1935 und 2018 wurde etwa deutlich, dass sich Geschichte nicht eins zu eins wiederholt, trotz aller Unterschiede aber auch Parallelen sichtbar werden.
  • 1935, während der Zeit des Austrofaschismus, wurden in der Sozial-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung drastische Leistungskürzungen beschlossen, für den Bezug des Krankengeldes wurde eine dreitägige Karenzfrist eingeführt.
  • Die Regierung argumentierte damit, dass angesichts der Wirtschaftskrise jeder „Opfer“ bringen müsse.
  • Die aktuelle Sozialversicherungsreform greift zwar nicht die Leistungen direkt an, entmachtet allerdings die ArbeitnehmerInnen-Seite und schafft somit die Basis für die angekündigte „Leistungsharmonisierung“ nach unten.
  • Von der Industriellenvereinigung wird dies befürwortet, da jeder Einzelne „Verantwortung“ übernehmen müsse, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu sichern.

Zur Abschlussdiskussion des Seminars konnten wir Wolfgang Greif, Leiter der GPA-djp Bildungsabteilung, im Seminar begrüßen. Wir diskutierten über die Rolle der Gewerkschaften für die aktuellen Auseinandersetzungen nicht zuletzt im „heißen Herbst“ und wie wir unsere Positionen als BetriebsrätInnen und Gewerkschaften am besten in die Öffentlichkeit tragen und mehr Menschen erreichen können.

Neben den aktuellen Lohnverhandlungen werden auch die Arbeiterkammerwahlen 2019 Schauplatz der kritischen Beschäftigung mit der aktuellen Regierungspolitik sein.

Zum Weiterlesen:

Michael Rosecker, Die österreichische Revolution. Die Gründung der Republik 1918, in: Karl-Renner-Institut (Hg.), Politik aktuell 2/2018

Peter Autengruber, Die Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung bis 1945, VÖGB-Skript, 2017.

 

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